Brief eines jungen deutschen Architekten an den Herrn Reichsminister
für Propaganda und Volksaufklärung Dr. Goebbels
„■Die deutsche Kunst der nächsten Jahrzehnte wird heroisch, wird stählern
romantisch, wird sentimentalitätslos sachlich, wird national mit großem
Pathos, sie wird gemeinsam verpflichtend und bindend sein oder sie wird
nicht sein".
Sehrgeehrter Herr Reichsminister!
Die Worte, die im Mittelpunkt Ihrer Ansprache
an die deutschen Theaterleiter standen, sind als
wegweisender und maßgebender Ausdruck des
Kunstwollens im neuen Staat weit über den ersten
Hörerkreis hinaus erwartungsvoll aufgenommen
worden.
Die vorangegangenen Wochen waren voll ge-
wesen von Einzelaktionen, die sich gegen radi-
kale Künstler auswirkten und die, machtpolitisch
verständlich, jedoch ohne geistige Leitlinie, Ge-
fahr laufen mußten, für nichts anderes als spieß-
bürgerlich und reaktionär gehalten zu werden.
Gewiß waren die führenden Sachwalter in
jener ersten Zeit mit der Sorge ums tägliche Brot,
mit Dringlicherem beschäftigt als dem Schutz des
gleich dem Wein edlen aber zusätzlichen Wachs-
tums Kunst. Aber schließlich konnte ihnen doch
nicht unbemerkt bleiben, wie häufig sich bei den
unpfleglichen und robusten Eingriffen unter dem
Deckmantel der nationalen Erhebung der libera-
listische Atelierneid sein Mütchen kühlte. Wie
häufig holte hinter dem Tugendschild der Ge-
sinnung ein steriles und vergrämtes Handwerker-
ium zum Stoß gegen den Glücklicheren aus — sei
er von den staatlichen Museen oder aber nicht
minder von den göttlichen Musen begünstigt ge-
wesen. Wildgewordene Spießer witterten Mor-
genluft und nahmen sich, der Kunst in Wahrheit
immer fremd, die Vollmacht, ihren Jüngern wegen
Mißachtung des Volkes oder Verführung der Ju-
gend kurzen Prozeß zu machen.
Diesen Helden, die Bilder so mutig stürmen,
wie sie vor den Barrikaden sich gewiß gedrückt
hätten, schlagen Ihre programmatischen Äuße-
rungen, verbunden mit der rücksichtslosen Kampf-
ansage gegen den Dilettantismus, hoffentlich
schleunigst die Regenschirme aus der Hand. Der
neue Staat darf, je mehr er seiner Reinheit sicher
ist, je eher den Künstlern ein paar ungezwungene
Atemzüge gönnen, während welchen die Ueber-
zeugung wachsen möchte, daß seine ideellen
Ziele sich mit den in ihrem Werk geschauten Bil-
dern decken, mit den in ihrer Brust gehegten
Träumen, die gewiß am allerwenigsten materia-
listische waren. Er wird die Haltung auch der Be-
sinnlichsten zu schätzen wissen, da er weiß, daß
die, welche nach dem 30. Januar mit ihrem
Kommen zögern, eher die Geistesbrüder seiner
tapfersten Vorkämpfer sind, als die Unzahl der
allzu Behenden und Wendigen, der aalglatten
Geschäftemacher.
Und wenn nach Dampf und Brodem eines
Tages ein edler Gehalt des Neuen sich unter dem
Blick jener Unbeirrbaren kristallisieren konnte,
dann möge das Wort des Ministerpräsidenten
Goering, daß es immer noch leichter sei, aus
einem großen Künstler mit der Zeit einen anstän-
digen Nationalsozialisten zu machen, als aus
einem kleinen Parteigenossen einen großen
Künstler, nicht bloß seine Bestätigung finden —
sondern hoffentlich dann auch jeden, den großen
Künstler wie den kleinen Parteigenossen, auf dem
ihm gebührenden Platz.
Vorläufig aber haben die meisten von uns, die
keine Parteigenossen sind, das Gefühl, nicht ge-
braucht zu werden. Vorläufig muß die negative
Wendung gegen den nationalen Kitsch, wirksame
Maßnahmen gegen Überschwemmung des Volkes
mit Erzeugnissen des naivsten Dilettantismus an-
kündigend, der bildenden Künstler einzig realer
Trost sein. Es bleibt ihnen überdies zu hoffen,
daß eine radikale Verallgemeinerung dieses Ge-
dankens es auf allen Gebieten der Kunst unmög-
lich machen wird, das Talent durch stramme Hal-
tung zu ersetzen.
Handgreiflicher sind schon die Vorschläge für
Film und Theater gefaßt und mehr noch ist die
Erklärung einer Olympiade der Gesänge, zu der
Sie Herrn Dr. Leyhausen autorisierten, eine kul-
turelle Verheißung, der die dramatische Muse, im
Zusammenprall starker Disziplinen einer Wieder-
geburt entgegensehend, ihren Dank abstatten
wird.
Wie aber steht es um die andere große
Kunst, ähnlich zwischen allen Bezirken des
menschlichen Schaffens vermittelnd wie das hohe
Drama, ähnlich späteren Zeiten noch volles Zeug-
nis des Staates gebend, den sie überlebt: das
Bauen? Zwar ist darüber schon mehr diskutiert
worden und es liegt ein zusamenfassendes Buch
über die Architektur im dritten Reich schon seit
26
für Propaganda und Volksaufklärung Dr. Goebbels
„■Die deutsche Kunst der nächsten Jahrzehnte wird heroisch, wird stählern
romantisch, wird sentimentalitätslos sachlich, wird national mit großem
Pathos, sie wird gemeinsam verpflichtend und bindend sein oder sie wird
nicht sein".
Sehrgeehrter Herr Reichsminister!
Die Worte, die im Mittelpunkt Ihrer Ansprache
an die deutschen Theaterleiter standen, sind als
wegweisender und maßgebender Ausdruck des
Kunstwollens im neuen Staat weit über den ersten
Hörerkreis hinaus erwartungsvoll aufgenommen
worden.
Die vorangegangenen Wochen waren voll ge-
wesen von Einzelaktionen, die sich gegen radi-
kale Künstler auswirkten und die, machtpolitisch
verständlich, jedoch ohne geistige Leitlinie, Ge-
fahr laufen mußten, für nichts anderes als spieß-
bürgerlich und reaktionär gehalten zu werden.
Gewiß waren die führenden Sachwalter in
jener ersten Zeit mit der Sorge ums tägliche Brot,
mit Dringlicherem beschäftigt als dem Schutz des
gleich dem Wein edlen aber zusätzlichen Wachs-
tums Kunst. Aber schließlich konnte ihnen doch
nicht unbemerkt bleiben, wie häufig sich bei den
unpfleglichen und robusten Eingriffen unter dem
Deckmantel der nationalen Erhebung der libera-
listische Atelierneid sein Mütchen kühlte. Wie
häufig holte hinter dem Tugendschild der Ge-
sinnung ein steriles und vergrämtes Handwerker-
ium zum Stoß gegen den Glücklicheren aus — sei
er von den staatlichen Museen oder aber nicht
minder von den göttlichen Musen begünstigt ge-
wesen. Wildgewordene Spießer witterten Mor-
genluft und nahmen sich, der Kunst in Wahrheit
immer fremd, die Vollmacht, ihren Jüngern wegen
Mißachtung des Volkes oder Verführung der Ju-
gend kurzen Prozeß zu machen.
Diesen Helden, die Bilder so mutig stürmen,
wie sie vor den Barrikaden sich gewiß gedrückt
hätten, schlagen Ihre programmatischen Äuße-
rungen, verbunden mit der rücksichtslosen Kampf-
ansage gegen den Dilettantismus, hoffentlich
schleunigst die Regenschirme aus der Hand. Der
neue Staat darf, je mehr er seiner Reinheit sicher
ist, je eher den Künstlern ein paar ungezwungene
Atemzüge gönnen, während welchen die Ueber-
zeugung wachsen möchte, daß seine ideellen
Ziele sich mit den in ihrem Werk geschauten Bil-
dern decken, mit den in ihrer Brust gehegten
Träumen, die gewiß am allerwenigsten materia-
listische waren. Er wird die Haltung auch der Be-
sinnlichsten zu schätzen wissen, da er weiß, daß
die, welche nach dem 30. Januar mit ihrem
Kommen zögern, eher die Geistesbrüder seiner
tapfersten Vorkämpfer sind, als die Unzahl der
allzu Behenden und Wendigen, der aalglatten
Geschäftemacher.
Und wenn nach Dampf und Brodem eines
Tages ein edler Gehalt des Neuen sich unter dem
Blick jener Unbeirrbaren kristallisieren konnte,
dann möge das Wort des Ministerpräsidenten
Goering, daß es immer noch leichter sei, aus
einem großen Künstler mit der Zeit einen anstän-
digen Nationalsozialisten zu machen, als aus
einem kleinen Parteigenossen einen großen
Künstler, nicht bloß seine Bestätigung finden —
sondern hoffentlich dann auch jeden, den großen
Künstler wie den kleinen Parteigenossen, auf dem
ihm gebührenden Platz.
Vorläufig aber haben die meisten von uns, die
keine Parteigenossen sind, das Gefühl, nicht ge-
braucht zu werden. Vorläufig muß die negative
Wendung gegen den nationalen Kitsch, wirksame
Maßnahmen gegen Überschwemmung des Volkes
mit Erzeugnissen des naivsten Dilettantismus an-
kündigend, der bildenden Künstler einzig realer
Trost sein. Es bleibt ihnen überdies zu hoffen,
daß eine radikale Verallgemeinerung dieses Ge-
dankens es auf allen Gebieten der Kunst unmög-
lich machen wird, das Talent durch stramme Hal-
tung zu ersetzen.
Handgreiflicher sind schon die Vorschläge für
Film und Theater gefaßt und mehr noch ist die
Erklärung einer Olympiade der Gesänge, zu der
Sie Herrn Dr. Leyhausen autorisierten, eine kul-
turelle Verheißung, der die dramatische Muse, im
Zusammenprall starker Disziplinen einer Wieder-
geburt entgegensehend, ihren Dank abstatten
wird.
Wie aber steht es um die andere große
Kunst, ähnlich zwischen allen Bezirken des
menschlichen Schaffens vermittelnd wie das hohe
Drama, ähnlich späteren Zeiten noch volles Zeug-
nis des Staates gebend, den sie überlebt: das
Bauen? Zwar ist darüber schon mehr diskutiert
worden und es liegt ein zusamenfassendes Buch
über die Architektur im dritten Reich schon seit
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